Montag, 10. August 2009

The Show Does Go On.

Nachdem Clueso so manchen in seiner Wirkung auf das bis dahin noch pogende Publikum überrascht hatte, und dieses nun etwas entspannter dem Abend entgegensah, kamen nach kurzer Umbaupause die in Amerika dreifach goldbehangenen Taking Back Sunday auf die Bühne. Die nächste knappe Stunde gehörte dann ihrem technisch ziemlich perfekten Hardrock. Während sie in Amerika größere Stadien füllen, reagierte man hier etwas verhalten auf die den Meisten wohl noch unbekannten Songs. Der etwas undankbare Startplatz vor den Toten Hosen sorgte dann auch dafür, dass Feld und Hügel zwar ziemlich gut gefüllt waren, der Großteil der Zuschauer aber wohl vor Allem auf einen guten Platz für das Hosen-Konzert hoffte. Man merkte gegen Ende der Show dann auch, dass das New Yorker Quintett da anderes gewohnt ist, und so verabschiedeten Publikum und Band einander dann auch etwas sehr schnell und undramatisch. 


Bis zur Beschleunigung Richtung Endspurt musste man dann auch bis 9 Uhr warten, als die Hitdichte der Pausenmusik stieg, der Chorus von "7 Nation Army" tausendkehlig verstärkt durchs Stadion schallte, Fahnen mit dem bekannten Adler-Skellett vom oberen Rand der Licht-Träger rollten, die Band sich in das erste Lied steigerte, Campino auf die Bühne schoss wie Pamplona hoch 3, die Lichtanlage dem Gewitter der atemlos durchpreschten ersten 4 Songs das Spektakel zuzwinkerte, man einen kurzen Zwischenstopp einlegte, um anscheinend Bedrängte aus der ersten Reihe von Securitas-Händen an die Luft, die frische, bringen zu lassen...

















- dann weiter, "Wir steigen in der zweiten Strophe ein!", Vollgas und Punktlandung bei den Hits der letzten Jahrzehnte. Das Ganze hat dann auch wirklich was vom erhofften Happening, für das sich die Hügel fast bis auf den letzten Zentimeter gefüllt hatten. Weiter hinten lag man sich glückselig in den Armen, während vorne gesprungen und gepogt wurde, Feuerzeuge wankten und für das "Hang on Sloopy" Cover noch schnell eine Choreographie eingeübt wurde. Wie üblich durfte auch ein Fan auf die Bühne, die eigene Stimme mit der Campinos zu messen, und zwei Zugaben später fand man sich leicht überfahren und umgeben von Zufriedenheit allüberall verstreut und entspannt auf dem sich schnell leerenden ehemaligen Rasen wieder. 


Die allerallerallermeisten ließen sich dann auch im Austausch von Festival-Erinnerungen, Trinksprüchen und Glückwünschen in Richtung der Busse und Camping-Plätze treiben, und so fand sich eine dagegen fast schon intim kleine Menge vor der Sounds-For-Nature Bühne wieder, für den eindringlichen, so nicht zu erwartenden und um so freudiger überraschenden Schlusspunkt der drei Tage. The National hatten ihre Zuhörer innerhalb kürzester Zeit in der Hand, schluckten all das Adrenalin, die Energie und Aufregung der vergangenen Stunden in einem Rausch aus bedächtig aufgebauten Gitarrenwänden, feinrädrigem Schlagzeugspiel und einfühlsamem, dynamischem Wechselspiel zwischen Bangen, Hoffen, Wüten und Warten. Sänger Matt Berninger wankte dabei in einer Teils verzweifelt, Teils schlicht betrunkenen wirkender Versunkenheit über die Bühne, doch traf sein ernster, in aller Sicherheit suchender Bariton in jeder Nuance das sehnende Gefühl dieses vom restlichen Festival fast wie unter einer Luftblase abgetrennten, eindringlichen doch niemals zudringlichen Konzertes. Ratlos blieb man zurück mit dem Gefühl, vielleicht etwas wirkliches gesehen zu haben, vielleicht keine Show, und man kann wirklich sagen, dass das teils überwältigende, teils hastige, teils überdreht-fröhliche und jubelnd gröhlende Gefühl des diesjährigen Festivals damit zu einer Spannungskurve wurde, wie sie kein Theaterregisseur besser hätte inszenieren können. Hungrig und irgendwie aufgeregt geht es weiter in die Nacht, auf der Großleinwand prunkt schon das Taubertal-Logo mit einer fetten 2010 darüber, und im leichten WahWah der letzten Aufgeregten Stimmen fadet der Abend aus. 

Sonntag, 9. August 2009

Guuude Laune, hier, oder was?

Die motherf**kin Zebrahead wollen all uns Fu**ern erst mal einen sch**ss guten Tag wünschen und nebenbei sind sie noch f*cking hier, um verf*ckt noch mal zu rocken. Das klingt zwar ein wenig nach Linkin Park für hippe Punk Kids, aber funktioniert doch erstaunlich f*cking good. Sie schaffen es dann auch nach Pogen, Klatschen und Winken, das Publikum dazu zu bringen, sich hinzusetzen, in aller Ordnung, wie sich's gehört, um auf eins-zwei-drei gemeinsam aufzuspringen. Das stärkt die Gemeinschaft, und schließlich geht es ja dann doch um f*cking love, y'all.






Der Emergenza-Entscheid sagt kurz darauf, dass erstmal Bässe, Amps und Becken verschenkt werden, bis die drei Sieger ihr Publikum finden: -1- Kid Galahead (Schweden), -2- Werner Kraus (Deutschland) und -3- Yaseedee (Italien). Kid Galahead dürfen dann auch gleich auf die Mainstage, wo vor allem der Sänger in den knappen 20 Minuten ihres Auftritts noch am vorigen Abend laboriert. Das ist schade, da die Songs mit einigen Ideen aufwarten können, aber, wie es immer so schön heißt, man wird ja noch einiges von ihnen hören. Yaseedee sind dagegen ziemlich on point, klingen ein wenig nach Tamagotchi-Metal Daniel Küblböck'scher Prägung, aber mit Stimme, und der exaliterte Sänger weiß das leider etwas spärliche Publikum auch durchaus zu begeistern, wenn er mit rudernden Armen, energisch zwischen Shouten und Singen wechselnd über die Bühne tänzelt. 





Währenddessen kommt Clueso auf die Hauptbühne. Nach Rap, Raggae-Rap und Raggae-Rock-Rap versucht er sich mittlerweile mit stadiontauglicher Band an Raggae-Rock-Electro-Rap. Was ihn zwar auch nicht unbedingt spannender macht, aber trotzdem kann sich wohl jeder im Publikum vorstellen, mit ihm am Lagerfeuer zu sitzen, ein so richtig tiefes Gespräch zu führen, so ganz intensiv ... und verstanden zu werden. Clueso schafft es auch wirklich, die Ränge wie den Vorbau wie das Feld zu füllen, und mit seiner sehr gut eingespielten, relaxt rockenden Band grönemeiert er die Massen so auch in aller Freundlichkeit, bis ein Lächeln noch die gepierceteste Lippe umweht. 

SofaSoGood.

Ausverkaufte Konzerte in Las Vegas, jährlich. Eine Tour mit fast 20 Stopps in Japan. Heute auf dem Taubertaul, nächsten Monat in Dubai... Hier kann man's sich leisten, Musiker von Weltrang mit Tourplänen in U2-Ausmaßen für ein Gastspiel im Biergarten zu buchen. Der Posaunist der Rothenburger Wirtshausmusikanten, Motto: "Du muast's hoid klug anstelln!", ist wohl der entspannteste unter den vielgereisten Stars des Festivals. Und wo sie im 1:1 nachgebauten Hofbräuhaus in Las Vegas auf den Tischen tanzen, ist man hier etwas zurückhaltender und schmatzt wohlwollend zu "Im Wald und auf der Heide."


Auf dem Campingplatz ist mittlerweile Festival-Routine eingekehrt, verlassene Grills bieten ihre sehnig-schwarzen Schätze dem nächstbesten Flaneur feil, derweil ein bunter Strauß herzerwärmender Melodien von Heim zu Heim gereicht wird, wo man einander noch einmal aufmunternd zunickt, ein Knuff in die Seite und liebevoll wird auf die nächste gute Ernte, Michael Jacksons Wiederauferstehung oder das Wohl im Allgemeinen wie im Speziellen angestoßen.

















"Sondaschule" haben sich Anlass und Publikum entsprechend in ihre Sonntagsanzüge geschmissen und belohnen das unverwüstliche Publikum, dort, wo die Hügel Augen und die Täler Haarausfall haben, mit schmissig-fetizigem Ska-Sound, ho!

Alle Wege führen nach Exit.



Griechischer Wein aus TubaTrompeteKehle, irgendwo im Biergarten hinter den noch leeren, gewasserten Bänken. Die Tauber rauscht trotz des kräftigen Regenschubs gestern noch urgemächlich vor sich hin und lässt den Morgen vorbeiplätschern, wo die ersten Rouladen und Würstchen sich die Speiseröhren biergetrieben hinunterkämpfen, und das mit ähnlich ruhiger Wucht wie knappe 12 Stunden zuvor noch Farin Urlaubs Fans mit dem Regen in die Schlammarena trieben. Schulterzuckend zupft man jetzt erdige Bierdosen aus den Trampelpfaden, kramt nach Kaffeeresten und rekonstruiert alte und neue Lieblingslieder. "Haben Farin Urlaub Racing Team eigentlich nen Hit?" - "Ja. Farin Urlaub." Irgendjemand verspricht Brustvergrößerungen durch Handauflegen, schaut man sich seine Hände dann genauer an, fragt sich aber, ob die dabei zu befürchtenden Geschwüre auch einen BH füllen

könnten, oder er ganz einfach ein Hundsfot von einem Scharlatan ist, dem mal ein In Extremo Song gewidmet werden sollte. Wirklich klargeregnet hat es den Himmel gestern dann doch nicht und das selbsterfüllende Taubertal verspricht seinen Fans somit auch heute das große Wetterroulette. Tradition verpflichtet. Vielleicht haben auch die Satansfinger im Publikum gestern ihr übriges getan, möglich aber auch, dass selbst Gott keine Fotoerlaubnis für Farin und die Hosen bekommen hat, also: Gardinen zu und vorbei ist's mit Gnade und Erleuchtung. So schnell kann das gehen, wenn Ordnung sein muss, und so rauschen nun die Müllsammler und Securities auch wie das fleischgewordene Seelenheil durch die Straßen und Gassen, säubern die entweihte Natur, der unsere Stoßgebete für heute gehören sollen.

Samstag, 8. August 2009

zwischenstopp.

Als Flogging Molly dann die Bühne einnehmen, ist das Publikum bereits ein Haufen, eine Menge.... ja.... eine ganze Menge - vollgetankt mit >48 Std. Hopfen, Malz und Testosteron und bereit für die Pogotanten aus Los Angeles. Die zocken sich dann routiniert durch ihr Set, und solange der Beat läuft, häkeln sich ein paar Tausend Arme ineinander, heissasa, täteräh, und wie sie alle glücklich sind. Die Bühne ist währenddessen von sieben fußtappenden Folkpunks, die eher nach Punkfolks aussehen, bevölkert und heiter fidelt man dem Sonnenuntergang entgegen. Dankbar und gröhlend bleibt die Menge zurück und verpasst leider...


...die Maccabees.

Diese sind zwar nur zu fünft, schallen aber mit der Energie von mindestens sechs oder sieben oder acht... sind laut. Über druckvoll swingende Beats legen sich verspielt aggressive Gitarren, pusht der Bass die Songs, bis sie irgendwo nahe der magischen 3-Minuten-Grenze in sich zusammenstolpern. Orlando Weeks' Stimme gibt dem Sound die nötige Tiefe und schon hat man die wohl bisher spannendste Band des diesjährigen Taubertal. - An der leider hunderte vorbeimarschieren, in der Hoffnung, einen guten Platz zu kriegen, für...


... In Extremo. Die kauzigen Mittelalter-Rocker mit den putzigsten Künstlernamen seit Saulus und Paulus beginnen zwar etwas lustlos, steigern sich aber im Takt der Feuergebläse am Bühnenrand, bis sie sich mit dem Publikum auf einen angenehm runtergekochten Grad an zufriedener Aufregung einigen können. Und so rammsteinen sich Das Letzte Einhorn, Flex der Biegsame, Der Morgenstern, Dr. Pymonte und wie sie alle heißen durch ihre mittlerweile knapp 14-jährige Bandgeschichte. Alle sind zufrieden und vergessen sogar den nach ein paar Songs einsetzenden Regen... Taubertal, Taubertal...

Believe the Hype.


















...und die Subways halten dem Hype stand, halten die Menge in der offenen Hand wie an Puppenspielerfäden. Irgendwie sieht das aus, als hätte der Bus zur Südkurve die falsch-beschilderte Umleitung genommen, die Fans - Spektakel, Spektakel - sind aber trotzdem glücklich, haben keine Zeit, Lothar Matthäus nachzutrauern, Ja, mei, und Flanke, Kreuzeck, Tor, und alles klatscht (im Takt!), die Liedtexte laufen besser als jedes OléOlé, Kantersieg und zweite Halbzeit nur noch im Sturm. Charlotte Cooper rast, stoppt, kreist und auf dem Absatz fliegt sie schon wieder in die andere Bühnenecke, wo Billy Lunn mit schüchtern verhaltener Arroganz das Publikum dirigiert. "Wier liebän Däutschländ!" Irgendjemand muss ja.


Währenddessen formt sich mit der RAF (Rage Against Fotographers) die erste politische Partei des Festivals, die zwar kein Tippkickspiel gegen Edmund Stoiber wagen würde, aber mit Farin Urlaub und Campino zwei fotogene Sekretäre ins Rennen um das Dosenbierkegeln-Punkrevival schickt.

Perfektionisten ihres Fachs mit Anspruch und Ideologie gewappnet gegen die Widernisse der Welt, haben sie auch ihre Parteimitglieder handgepickt. Und so darf zwar nun nicht jeder mit seiner Kamera vor die Bühne, aber Politik ist ja eine der guteren Sportarten, die im Fernsehen spannender wirkt als meinetwegen in einer Bowlingarena oder nackend im Bahnhofsklo. Und so werden die meisten unserer hart arbeitenden Fotofreunde auch freudig auf ihre Akkreditierung verzichten, ihren Helden heute und morgen abend vor dem Fernseher zuprosten, auf dass der guten Sache gedient sei.

Bockis für den Regengott.

Überraschung... erst zieht es ein wenig zu, man freut sich über etwas kühlere Luft, dann wird es ein wenig zu dunkel für die Uhrzeit, mehr und mehr Gesichter schauen sich ein wenig zwischen den Liedern um, sichtlich abschätzend, wie lang man wohl bis zum Zeltplatz braucht, ob das Geld im Notfall noch für eine Regenjacke am Merch-Stand reichen wird. Ist das Bierfass daheim gut zugedreht? Wird der Jägerzaun halten? Schwemmt es die Bockis ins Nachbarbett? Wer wohnt überhalb meines Zeltes - und ist sein Biervorrat groß genug, lohnt es, die ihm zugewandte Wand zu öffnen und auf den Abtrieb zu warten?



Währenddessen spielen Asaf Avidan und die Mojos nebst Guru Guru mit ihren Waffen gegen das drohende Wetter: Erstere, aus Tel Aviv angereist, sind eine weitere bluestrunkene Rockband, die als vom mexikanischen (?!) Rolling Stone überhyped angekündigt wurde, und mit ihrem Sänger, dessen Stimme ein paar Tönchen über der von Janis Joplin rangiert, sowie einer Cellistin glänzt, aber einen schweren Stand hat, nach dem energetischen Set von Montreal. 





Guru Guru, auf der Emergenza Bühne, sind eine japanische Frauenband, was sich ziemlich schnell rumspricht und für Verwunderung und Interesse sorgt. Das extrem tight spielende Quartett enttäuscht dann auch nicht, wirkt bemerkenswert wie aus dem Musikvideo gerissen... und weiter gehts gleich mit den Subways, und wir werfen Bockis in den Himmel, hoffend, dass Gott kein Vegetarier ist. Amen.